Nach meinem letzten Reisebericht über die Anreise nach Mexiko folgt nun ein weiterer, in dem du erfährst, wie meine Reise nach dem Crew-Einsatz auf einem Schiff weiterverlief. Falls dich interessiert, was ich alles für meine große Reise gepackt habe, kannst du meine komplette Packliste hier einsehen.
Jetzt geht’s aber los mit meinem Bericht über einige Tage Aufenthalt in Kalifornien und die Weiterreise nach Nordausralien!
Nachdem ich von Mexiko die Grenze nach Kalifornien passiert hatte, verbrachte ich eine Nacht in San Diego, wie schon auf dem Hinweg. Diesmal entschied ich mich allerdings für ein anderes Hostel, mit dem ich dann sehr zufrieden war. Solltest du mal in San Diego stranden: Lucky Ds Hostel ist das, wo du hinmöchtest! Supernettes Personal, saubere Küche und Zimmer, bequeme Betten (!), ruhig, aber direkt neben den schmucken Bars im Gaslampdistrict.
Abends wollte ich eigentlich endlich mal etwas Trinken gehen nach all der Zeit auf dem Schiff, dann war ich aber viel zu erledigt, lies mir stattdessen eine Pizza ohne Käse backen und rollte mich schon früh auf meinem Bett ein. Meine beiden Zimmergenossen, zwei Franzosen, die sich ebenfalls hier kennengelernt hatten, waren nett, trotzdem war ich froh, dass ich das Zimmer die meiste Zeit für mich allein hatte. Am nächsten Morgen zog ich mit Sack und Pack los an den Bahnhof, um einen Zug nach Los Angeles zu erwischen. Da der frühe Zug bereits in der Economy-Klasse ausgebucht war, und ich für 40 $ mehr in der Buisness-Klasse hätte fahren müssen, entschied ich mich dafür, lieber drei Stunden auf den günstigeren Zug zu warten. Als der endlich kam, konnte ich dir dreistündige Fahrt für immer noch stolze 70 $ antreten.
Aufgrund der Tatsache, dass in den USA Thanksgiving gefeiert wurde, fuhren die meisten öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr, weshalb ich über 6 Stunden brauchte, bis ich endlich vom Zentralen Bahnhof (Union Station) mit Metro und Bussen im Stadtteil Hermosa Beach angekommen war, wo ich ein Hostel vorgebucht hatte. Glück im Unglück: Wegen Thanksgiving gab es wenigstens ein Essen für Alle und ich hatte ja nichts eingekauft… Natürlich hab ich nichts von dem armen Truthahn gegessen, aber trotzdem Mais, Brot und Salat gefunden- soviel, dass ich davon satt wurde. Mein Zimmer teilte ich die nächsten Nächte mit einem jungen Deutschen, der in Boston an der Uni bereits seit mehreren Jahren arbeitet, nachdem er dort Pratikum gemacht hat. Davor hat er in den Niederlanden studiert- ich fand es ziemlich beeindruckend, wieviel er mit Anfang Zwanzig schon gemacht hatte. Er war in LA zum Surfen und das tat er auch von morgens bis abends sehr zufrieden.
An meinem ersten Morgen in LA hab ich ganz enthusiastisch meine sieben Sachen gepackt und mich auf den Weg in die Innenstadt gemacht. Mit Bussen und Bahnen habe ich mich so (über Stunden!) erst nach Downtown und dann nach Hollywood durchgeschlagen. Das öffentliche Verkehrssytsem in LA ist eine mittlere Katastrope! Es gibt lediglich Nummern an den Haltestellen, keine Zeit- oder Stadtpläne. Wenn eine Buslinie endet, steht man irgendwo im Nirgendwo. Es wird einfach vorausgesetzt, dass man ein internetfähiges Handy hat, welches ich aufgrund der Ermangelung einer amerikanischen Simkarte nicht besaß. Dies hatte zur Folge, dass ich ununterbrochen nach dem Weg fragen musste. Das stört mich eigentlich nicht, aber nach dem zwanzigsten Mal fang selbst ich an, schlechte Laune zu kriegen.
Downtown LA… wirklich nicht mein Fall!
In Downtown war es völlig anders, als ich es erwartet hatte. Keine gemütlichen Cafes, hier und da ein paar verrückte Designerläden, Menschen in ausgefallener Kleidung, nein! Stattdessen lieblose Häuserfassaden, Menschen in Anzügen und Hundertschaften an Obdachlosen. Mittlerweile war es ja Freitag, genauer gesagt der sogenannte „Black Friday“ und die meisten Menschen rannten mit tütenweise Schund durch die Gegend, den sie vermeindlich billiger gekauft hatten. Daneben all die Obdachlosen, die schlurfend die Mülleimer der Stadt durchforsten und keines Blickes gewürdigt werden. Es ist erschreckend, wie sehr diese Menschen schon Teil des Stadtbildes sind und von Vielen ganz offensichtlich gar nicht mehr wahrgenommen werden. Als ich, wie so oft an einer Bushaltestelle saß und darauf hoffte, irgendwas würde schon kommen, sah ich diesen älteren Obdachlosen, der neben mir, wie schon drei andere vor ihm in meiner bereits dreißigminütigen Wartezeit, den Mülleimer durchwühlte. Er war etwa 70 Jahre alt, trug keine Schuhe, nur ganz kaputte Socken und eine verschlissene Jeans, starr vor Dreck. Er hatte einen Gehstock in der einen Hand, mit der anderen fischte er aus dem Mülleimer weggeworfene Plastikflaschen, aus denen er die Reste in einem alten Becher zusammenkippte und dann neben mir davon trank. Da ich es so garnicht aushalten konnte, drückte ich ihm etwas Geld in die Hand und ging.
In Los Angeles bitten die Obdachlosen nicht um Geld, so wie wir es ab und an in Deutschland erleben. Stattdessen gibt es eine ganz traurige Stimmung, die Perspektivlosigkeit steht den Menschen ins Gesicht geschrieben. Das war nicht die einzige Begegnung mit Menschen ohne Obdach in Los Angeles, die mich zum Weinen gebracht hat.
Hollywood: dreckig und anstrengend
Hollywood war, wenn überhaupt, nur schlimmer. Dreckige Straßen, überall Zelte und Einkaufswagen, in denen die Menschen ihre Habseligkeiten verwahren. Nach einem emotional und körperlich extrem anstrengenden Tag kehrte ich frustriert und desillusioniert ins Hostel zurück, den restlichen Abend verbrachte ich mit den sehr netten anderen Hostelgästen im Gemeinschaftsraum.
Erst spät abends entschied ich mich, mit einigen Leuten noch ein Bier trinken zu gehen. In der Bar unter dem Hostel wird alles (!!!) in Plastik serviert. Hat man sein 8 $ teures kleines Bier dann ausgetrunken, ist es nicht möglich, dies wieder aufgefüllt zu bekommen. Diese Tatsache hat mir für den Abend echt den Rest gegeben, auch trotz netter Gesellschaft bin ich ins Bett und auch bald eingeschlafen.
Am nächsten Morgen fiel mir auf dem gegenüberliegenden Flachdach ein Drahtgestell auf dem Beton auf, in dem offenbar Vögel gefangen waren. Ich war mir allerdings nicht ganz sicher, da es recht weit entfernt war und hielt es für möglich, dass sich die Tiere nur unglücklich verlaufen hatten und nun etwas Zeit brauchten, um wieder hinauszugelangen. Den Tag über fuhr ich mit Chris, einem furchtbar netten Engländer und einem Australier namens Joey, mit Chris Mietauto auf einen wirklich lustigen und entspannten Roadtrip quer durch LA, der mir die Stadt zumindest teilweise wieder etwas sympathisch machte. Santa Monica, die Hollywood-Hills… Da die Vögel bei meiner Rückkehr ins Hostel noch immer dort waren, entschied ich mich, zu handeln. In dem Haus, auf dessen Dach sich die Vögel befanden, gab es ein Restaurant. Ich bin also da hinein und habe die Bedienung nach dem Manager gefragt. Die junge Frau führte mich an einen Tisch, an dem ein dicker, glatzköpfiger Mann Ende 40 gerade ein Steak verspeiste. Auf meine freundliche Frage, ob er von den Vögeln auf dem Dach wisse, reagierte er deutlich gereizt und erklärte mir, die Vögel würden am Montag (zwei Tage später) abgeholt werden. Ich versuchte Näheres zu erfahren, doch er lies sich nicht auf ein Gespräch ein. Die Bedienung geleitete mich bestimmt nach draußen, während der Mann mir durch das Restaurant hinterherrief „We are animal lovers, too.“. Ich glaube, für ihn war das Gespräch bereits beim Anblick meines Tops vorbei, auf dem vorne Faust und Pfote vor einem roten Stern zu sehen sind. Zurück im Hostel habe ich dann den Hausmeister angesprochen, der ganz selbstverständlich erklärte, alle Häuser hätten dort diese Käfige und einmal wöchentlich käme eine Frau um die Vögel einzusammeln. Sie würden dann „in der Valley freigelassen“, weil sie in der Stadt ja überall hinkacken. Freigelassen, schon klar. Was für ein beschissener Tag!
Abends hatte ich ein dann wenigstens ein tolles Gespräch mit einer Frau Anfang 30, Psychologin aus Italien, die sich brennend für veganes Leben interessierte und unglaublich dankbar für Tipps war. Am nächsten Morgen verkündete sie stolz, sie habe nun Cowspiracy gesehen und tierischen Produkten selbstverständlich für immer abgeschworen. Ich habe mich wirklich unheimlich gefreut, dass sie so Feuer und Flamme dafür war. Den ganzen Sonntag habe ich im Hostel verbracht und mich ausgeruht von dem Stress der vorherigen Tage.
Weiterreise nach Australien
Mein gebuchter Flieger von LA nach Darwin hob erst um 10 Uhr abends ab, weswegen ich am späten Nachmittag meine Sachen zusammenpackte und abends im Gemeinschaftsraum des Hostels bereits mit gepacktem Rucksack saß und versucht habe, eine gute Busverbindung herauszusuchen. Neben mir saß ein Mann in den Vierzigern am Laptop, er stellte sich als Jay vor. Jay lebt in Jordanien, kommt aber regelmäßig aufgrund seiner Arbeit (irgendetwas mit Banken) in die USA um hier einige Wochen zu arbeiten, dann kehrt er wieder zu seiner Familie zurück. Völlig unerwarteterweise bat mir Jay an, mich zum Flughafen zu fahren. Nachdem ich höflich abgelehnt habe, bestand er förmlich darauf. Einen Moment lang habe ich überlegt, ob das wohl vernünftig ist, bei einem mir völlig unbekannten Mann ins Auto zu steigen… Nachts? Im Zimmer saßen zudem zwei Reisende, mit denen ich am Tag zuvor eine lange Tour durch Hollywood gemacht habe. Da sie alle Zeugen waren und es meinen Fahrer nicht störte, hörte ich auf mein Bauchgefühl und sagte zu. Ein Glück! Sobald ich im Auto saß, haben wir uns so lebhaft unterhalten als wären wir alte Freunde und hätten uns lange nicht gesehen. Wie sich herausstellte, teilen wir einen äußerst kritischem Blick hinsichtlich des Umgangs mit den Ressourcen dieses Planeten, Lobbyismus der Großkonzerne und anderen globalen ökologisch-politischen Themen. Ich glaube, es war besonders intensiv, da ich ein Interesse seinerseits nicht erwartet hätte. Als er mich am Departuregate des Flughafen aus dem Auto lies, bedankte er sich für den Input und versicherte mir, ich sei in Jordanien jederzeit bei seiner Familie willkommen.
Gut gelaunt stieg ich nach kurzer Wartezeit in den Flieger nach Brisbane. Das Flugzeug war zum Glück nicht ganz voll, wodurch ich mich hier etwas ausruhen konnte. Das vegane Essen von Virgin Australia war leider echt nicht der Knaller, die können sich da gut und gern mal bei Condor etwas abgucken. 16 Stunden später in Brisbane angekommen, musste ich mein Gepäck abholen und dann vier Stunden bis zum nächsten Flug zu überbrücken. Vorsichtshalber stellte ich meine Uhren auf die Zeitzone von Darwin um, setze mich auf die Wartebänke und genoss das kostenlose Flughafen-Wifi. Dann plötzlich glaube ich meinen Namen zu hören. Panisch packte ich mein Zeug zusammen und rannte zum nächsten Flughafenmitarbeiter. Dieser meinte, ich müsste so schnell es geht boarden. Ich raste durch die Kontrolle (zum Glück war keine Schlange), flitze durch den langen Gang mit den Boardingschaltern und wurde dann von einer Frau angehalten, die mich rumrennen sah und annahm, ich sei spät dran. Nach einem Versuch ihrerseits mir eine moralische Predigt zu halten, alle müssten auf mich warten… bla bla bla… lies sie mich in den Flieger, wo ich dann mit den anderen Passagieren noch eine gute halbe Stunde aufs Abheben warten musste: eh klar! Wie sich herausstellte, besteht zwischen Brisbane und Darwin eine Zeitdifferenz, die ich gar nicht in Erwägung gezogen hatte. Nach weiteren vier Stunden Flug erreichte ich endlich Darwin – platt, aber zufrieden.
Von Darwin nach Cairns
Nach einem einstündigen Warten auf die Reparatur des Gepäckbandes war ich endlich bereit, zum vorgebuchten Hostel aufzubrechen. Mithilfe des Flughafen-Shuttle-Busses kam ich für „läppische“ 20 $ ins Zentrum und fand dann auch direkt in die Unterkunft. Für ganze 26 $ bekommt man hier ein Bett im Doppelstock-Betten-Dorm, selbstverständlich ohne Frühstück oder funktionierende Klimaanlage. Noch am selben Tag habe ich meine australische Steuernummer (TFN) beantragt, die man braucht, um hier arbeiten zu dürfen und am nächsten Tag ein Konto aufgemacht.
Das Hostel in dem ich gelandet war, entpuppte sich als Darwins Partyhostel: Jeden Tag bis spät in die Nacht laute Musik, ein brühwarmer Pool, an dessen Rand sich Unmengen offensichtlich gerade volljährig gewordene Menschen räkeln. Immerhin gab es das billigste Dosenbier schon für 4 $, das hab ich mir dann auch abends mal geleistet. Mit mir im Zimmer: Zwei junge Mädels aus Deutschland, beide unter zwanzig und für mich eher uninteressant, sowie eine Schweizerin, mit der ich mich gut verstand und abends auch mal zusammensaß, etwas geplauscht und Chips geteilt habe.
Während meiner Zeit in Darwin habe ich dann erfahren, dass es meiner Oma, die ich wirklich abgöttisch liebe, zu Hause nicht gut geht. Nach anfänglichem Ringen mit mir selbst, habe ich mich aus verschiedenen Gründen entschlossen, meine Reise dennoch fortzusetzen und sogar, Darwin zu verlassen.
Wie sich herausstellte, war die Saison fürs Fruitpicking in Darwin gerade vorbei und ein anderer Job kam für mich nicht in Frage. Das Geld wurde schnell knapp und ich verspürte echt Druck, dass ich schnellstmöglich etwas finden muss, um mich finanziell über Wasser halten zu können. Nach einer relativ erfolglosen Anzeige auf gumtree (es kamen zwar Angebote, aber fast alle aus dem weit entfernten Süden des Landes und teilweise wirklich dubiose Jobanzeigen) machte ich einen Aufruf in einer Facebookgruppe für Backpacker in Australien, auf die sich dann tatsächlich eine junge Frau meldete, sie würde in der nächsten Woche in der Nähe von Cairns auf einer Lime-Farm anfangen zu arbeiten.
Kurzerhand schrieb ich die Inhaberin der Farm an und diese zeigte sich interessiert. Der vermeindliche Haken an der Sache: Ich müsste schon am Montag anfangen. Ohne lang zu fackeln stornierte ich meine vorgebuchten Hostelzimmer und buchte mir für den nächsten Tag einen Flug von Darwin nach Cairns. Da die Preise echt happig waren, entschied ich mich für die Billiglinie „Jetstar“ über den Anbieter „Travelgenio“. Dieser Flugreisenanbieter brauchte stundenlang um mir mein E-Ticket zukommen zu lassen und trieb mich damit an den Rande des Wahnsinns. Während der Recherche über Travelgenio im Internet stieß ich ausnahmslos auf enttäuschte Kund*innen, deren Tickets niemals ankamen, deren Flüge überbucht gewesen waren oder deren Kreditkarten leergeräumt worden waren. Ich terrorisierte den Kundenservice per Telefon und e-Mails, keine Reaktion. Endlich dann die Erlösung erst kurz vor dem Abflug: alles hatte geklappt. Ich buchte den Shuttle zum Flughafen (gleicher Bus wie zur Anreise, sogar gleiche Fahrerin, diesmal allerdings nur 17 $, wie auch immer das möglich ist!) und bereitete mich auf die Abreise vor.
Am nächsten Morgen klappte alles reibungslos, bis ich im Flughafen war: drei Stunden Verspätung, da auf eine andere Maschine gewartet werden musste. In Cairns angekommen hatte ich dadurch meinen Bus verpasst. Da die Inhaberin der Farm allerdings gerade in der Nähe war, bot sie mich an, mich abzuholen. Ich schnappte mir das nächste Taxi, düste damit zum nächsten Woolworth-Supermarkt, durch den ich dann mit all meinem Gepäck wirbelte und mich dabei mit noch mehr belud. Ratzifatzi saß ich bei der Arbeitgeberin und ihrem Mann im Auto und war auf dem Weg zur Farm. Im Auto ging es dann direkt um „die ganzen Probleme mit den Flüchtlingen“, an dieser Stelle noch einmal ein fettes Danke an unsere Medien, die hier ganze Arbeit geleistet haben. Davon, dass es in Deutschland Menschen gibt, die Unterkünfte von Geflüchteten niederbrennen und öffentliche Hasstiraden ablassen, hatten sie natürlich noch nicht gehört. Nach einigen bestimmten Aussagen meinerseits wussten die Beiden, woran sie da bei mir sind und stimmten fortan brav zu. Auf der Farm angekommen, warteten schon meine neuen Mitbewohner*innen auf mich. Klar, ich war wieder die Älteste, so wie meistens unter Backpackern in Australien. Die Begrüßung war freundlich. Da mir während des Fluges eine Flasche Shampoo im Rucksack explodiert war und sich der komplette Inhalt auf meinem Hab und Gut verteilt hatte, beschäftigte ich mich erstmal mit dem Ausräumen meines Krempels und spülte alles ab. Nach ersten Gesprächen gingen wir alle früh ins Bett. Den Sonntag verbrachten wir relativ stillschweigend nebeneinander, ohne böse Absicht, einfach aus gegenseitigem Desinteresse. Meine Zimmernachbarin bemerkte, dass ich Sojamilch statt tierischer Milch trank und drückte mir natürlich gleich einen Spruch, der die Situation jetzt nicht direkt verbesserte.
Mein erster Arbeitstag war auch mein letzter dort. Damit die Limetten nicht nass gepflückt und dabei ggf. beschädigt werden, werden sie in der prallen Mittagssonne bei derzeit schwülen 35 Grad geerntet. Mein Aufseher (ja, das Wort ist passend!) behandelte mich wie eine Leibeigene, kommandierte mich herum, verbot mir den Mund. Für mich war völlig klar, dass ich dieses Spiel nicht mitmache. Ich lasse mir ganz gewiss nicht sagen, wann ich den Mund zu halten habe, erst recht nicht von einem Mann. Nach morgendlichen 4 Stunden pausenloser Akkordarbeit, einer halben Stunde Pause und dann erneuten 4 Stunden Pflücken war die Arbeit endlich geschafft. Mit zerstochenen Armen und Beinen kehrte ich in die Unterkunft zurück.
Nachdem ich den Bericht meiner Mutter las, den sie mir täglich über den Zustand meiner Oma schickte, entschied ich zu gehen. Aus dem Bauch heraus buchte ich einen Flug: ich wusste, ich musste meiner Oma beistehen. Sofort unterrichtete ich die Inhaberin davon, dass ich nicht für sie arbeiten werde und stattdessen die Farm verlasse. Nach einem kurzen „ok“ ihrerseits per SMS packte ich meine Sachen und bereitete mich für den nächsten Tag vor. Am nächsten Morgen lief ich mit Gepäck in den nächsten Ort und hielt per Daumen einen Bus an, der mich bis nach Cairns mitnahm.
Von Cairns aus flog ich über Bali nach Frankfurt zurück. In den folgenden zwei Wochen kümmerte ich mich um meine Oma, die dann im stolzen Alter von 97 Jahren gestorben ist. Um die Erfahrungen dieser Zeit zu verarbeiten, habe ich mich entschlossen, voerst in „festeren“ Strukturen in Deutschland zu bleiben und meine Reise zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen.
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~Alina